Setdesign

Setdesign: Ein Blick hinter die opulenten Kulissen

Setdesign: Ein Blick hinter die opulenten Kulissen

Setdesign ist mehr als nur das Arrangieren von Objekten – es ist die Kunst, Geschichten durch Inszenierung und Storytelling zu erzählen. Im Gespräch mit dem Setdesigner-Duo Fotografin Katy Otto und Stylist Holger Senft erfahren wir, wie ihr Weg sie von den Anfängen im Bereich der Fotografie zu opulenten Inszenierungen führte, wobei ein Feingefühl für Harmonie und der Mut zum Widerspruch entscheidend sind. Außerdem enthüllen sie, wo man in aller Frühe die schönsten erdbedreckten Gemüse-Requisiten bekommt und diskutieren den Stellenwert des analogen Schaffens in einer zunehmend digitalisierten Welt und der "Konkurrenz" durch KI.

Erzählt mal ein bisschen über euch! Wie seid ihr überhaupt zum Setdesign gekommen und was hat euch dazu inspiriert?

Katy: Setdesign haben wir schon gemacht, da war uns gar nicht bewusst, dass wir Setdesign machen. Schon die ersten gemeinsamen Fotoshootings vor 10 Jahren waren Kreativprozesse, die ihren Ursprung im Kreieren von Interieurlandschaften hatten. Holger hat zu der Zeit sehr erfolgreich Möbelknäufe und Wohnaccessoires verkauft. Neben den klassischen Produktaufnahmen machten wir Imagefotos, in dem wir die Knäufe in von Holger selbst erstellten Kulissen aus Vintage Möbeln, Wänden, Blumen und Requisiten präsentierten. Ab 2021 rückte stärker in den Fokus, ganze Geschichten mittels inszenierten Produkten zu erzählen. So entstanden die ersten opulenten und stilisierten Werke zu verschiedenen Themen.

Wie sieht eigentlich so ein typischer Arbeitstag als Setdesigner aus? Wir wollen alles wissen, von den ersten Ideen bis zum fertigen Set!

Holger: Ihr wollt alles wissen! Haha. Einen typischen Arbeitstag gibt es schon mal nicht, einfach, weil der Prozess sich über Wochen und manchmal Monate hinziehen kann. Die erste Idee kommt meistens von Katy. Sie hat eine Inspiration im Kopf, eine Geschichte, die wir als Referenzprojekt umsetzen, oder aber wir haben einen Auftrag vom Kunden, der automatisch gewisse Vorgaben mit sich bringt. Bis zum fertigen Set haben wir uns ausufernd beraten in langen Telefonaten und Mood Fotos versendet. Was dem einen nicht einfällt, inspiriert der andere. Das macht die Ergebnisse so stimmig und kreativ.

Katy: Es folgen Nächte, die überschlafen werden wollen, bis wir alle Requisiten entschieden haben. Früher machte man Polas für die ersten visuellen Abstimmungen, wir erstellen digitale Moodboards. Analog dazu beschaffen wir die Requisiten auf Trödelmärkten, Messen, Vintageläden oder von Verleihern.

Holger: Die Location spielt eine große Rolle für die Umsetzung. Wenn die Idee steht bucht Katy Technik und Assistenten. Wir bauen meistens acht Stunden lang auf, stecken Blumen, bügeln, polieren, kleben, drapieren Millimeter für Millimeter alle Requisiten bis sich alles zu einem stimmigen Bild zusammengefügt hat.

Katy: In Zeiten von populär werdender KI fragt man sich vielleicht, ob das wirtschaftlich bleiben kann. Für uns ist das auch eine philosophische Angelegenheit. Der verführerischen KI in Konkurrenz zum analogen Schaffen fallen aus unserer Sicht definitiv wichtige Skills zum Opfer. Es raubt den Prozess des Erschaffens „mit den eigenen Händen“, der den Menschen antreibt und sich nützlich fühlen lässt.

Welche Skills sind eurer Meinung nach besonders wichtig für angehende Setdesigner?

Holger: Der eben erwähnte Drang, mittels Komposition etwas kreatives erschaffen zu wollen, das Auge für´s Detail, Fantasie, eine Veranlagung für ästhetisches Empfinden, ein Interesse für die schönen Dinge, ein Feingefühl für Harmonie und Mut zum Widerspruch. Wer möchte kann selbstverständlich auch polarisieren. Ach ja, handwerkliches Geschick!

Raus mit der Sprache, welche Projekte waren eure absoluten Favoriten? Wir wollen die juicy Details hören!

Katy: Richtig lustig wird´s, wenn letztlich alles steht oder festgebunden ist, wie z.B. die selbstgebaute Mosaikfliesen Tischplatte, die auf dem Wasser schwimmend in einem Innenpool in Werder das Fundament des „GOLIGHTLY“ Projekts bildete. Oder wenn alle anderen Requisiten, angebunden oder nicht, dennoch davon treiben und Holger mit Anglerhose und Kescher alles wieder zurückrudert.

Holger: Super auch, wenn die High End Törtchen schon nach dem Transport zur Location erste Dellen haben oder spätestens beim Anrichten auf den hübschen und lange recherchierten Vintage Tellerchen zerfließen.

Katy: Amüsant, wenn wir morgens um Acht auf dem Ökomarkt Gemüse Requisiten aussuchen und Händler sich fragen, warum wir akribisch die dreckigsten Kartoffeln raus suchen oder was wir wohl mit zwanzig roten Zwiebeln kochen wollen. Aber so ein „GARDEN RUN WILD“ Projekt geht eben nur verwildert und üppig, wenn man ganze Munitionskisten damit füllen muss.

"Wir bauen meistens acht Stunden lang auf, stecken Blumen, bügeln, polieren, kleben, drapieren Millimeter für Millimeter alle Requisiten bis sich alles zu einem stimmigen Bild zusammengefügt hat."

Holger: Wir stehen drauf, wenn wir es nicht wagen, das eben in Kleinstarbeit zusammengesteckte Blumenarrangement wieder zu zerpflücken, weil einfach eine Blüte am falschen Grasbüschel schmiegt, und zerpflücken dann doch. Wir stehen auch drauf, wenn wir dank der Rauchmelder in der Location keinen Rauch machen dürfen, die Zigarre im „GOLDEN AGE“ Bild aber in echt qualmen soll und wir also tausend und einmal eine Kerze anzünden und ausblasen. Auf allen Vieren versteht sich.

Welche Geheimtipps habt ihr für uns, um mit Setdesign die perfekte Atmosphäre zu schaffen?

Katy: Nun, das kommt auf den Zweck an: Bei Fotoshootings oder beim Film ist der Blick aus der Kameraperspektive wichtig. Das erfordert jahrelanges Training, das „geschulte Auge“ sozusagen. Bei Sets für Messen oder Pop Up Stores muss man ein Gespür für den ganzen Raum haben. Improvisationstalent kann generell nicht schaden, das richtige Werkzeug dabei haben auch…

Habt ihr bestimmte Designtricks, die ihr immer wieder anwendet? Wir sind gespannt!

Holger: Wir arbeiten tatsächlich nicht mit Tricks. Unsere Installationen sind zu 99% original und echt. Kein Schmu, kein Schmäh.

Okay, wie schafft ihr es, dass eure Sets so echt aussehen? Gebt uns einen Einblick in eure Magie!

Holger: Wir recherchieren immer originale Ausstattung aus der jeweiligen Zeit, verwenden echte Blumen oder Lebensmittel statt der künstlichen Variante, auch wenn uns das das Arbeiten erschwert, weil Blumen schnell welken und Törtchen zerfließen. Gute Organisation ist hier gefragt, dennoch lohnt sich der auch finanziell höhere Aufwand im Hinblick auf das Ergebnis.

Katy: Es gibt aber auch Requisiten, die live schwach aussehen, dies auf Fotos aber nicht sichtbar wird. So können wir auch mal kleinere Produktionen hochwertig umsetzen.

Was waren die größten Herausforderungen, denen ihr euch bisher beim Setdesign stellen musstet?

Holger: Richtig krass produziert wurde das Musikvideo KALEIDOSKOP. Katy schaffte es teilweise an einem Drehtag 4 Motive an 4 verschiedenen Orten mit 6 Hauptstatisten abzudrehen. Wir waren für das gesamte Video z.B. im Kino, Eisdiele, Ballettsaal, Schwimmbad, Studio, Club und Varieté. Hinzu kam das Styling für die Statisten, das wochenlang zuvor für jede Szene zusammengetragen wurde. Für ein anderes Projekt shooteten wir an der Ostsee mit aufwendigen Blumenarrangements auf dem Kopf des Models und positionierten eine riesige Plane mit einem Schifferboot auf dem Strand als Szenerie. Als endlich alles stand, setzte der Regen ein und wir hatten nur noch wenige Minuten für die tollen Bilder.

Katy: Nicht minder aufregend war das Shooting zum Projekt MARILYN. Holger baute vor seinem Haus im Garten eine "Dinner for one" Kulisse für eine Szene mit dem Seniormodel. Logisch, dass er auf die Idee kam, die Geschichte mit einem weißen Pferd zu komplementieren.

Wie entscheidet ihr, welche Farben und Texturen ihr für ein Set verwendet, um es visuell ansprechend zu gestalten?

Katy: Oh, das ist reine Geschmackssache und zum Glück haben wir den gleichen Geschmack. Für unser Projekt GARDEN RUN WILD wählten wir, wie berichtet, uriges Gemüse und echtes Moos zum verwildern. Es war klar, dass wir die 40er Jahre in den Farben der Sportgeräte erzählen und uns reduzieren wollten auf 2 Farben und raue Materialien.

Holger: Für unser aktuellstes Projekt MARIE ANTOINETTE war es uns wichtig, es nah am französischen Rokoko auszurichten. Hier wählten wir Porzellan, antike Möbel, pompös verzierte Torten und pastellfarbene Requisiten. Das feudal designte Kleid mit prunkvollem Blütendruck für unser Ballerina Model erstanden wir im Kostümfundus der Komische Oper Berlin, einem Eldorado mit professioneller Expertise.

Wie haltet ihr euch über die neuesten Trends im Setdesign auf dem Laufenden?

Holger: Da sind wir eindeutig bei Social Media mit unzähligen Interieur Accounts. Auf unseren Städtetrips entdecken wir aber durchaus abgefahrene Schaufenster Designs mit den neuestens Trends. Magazine gehören auch zu unseren Favorites, wenn es darum geht auf dem neuesten Stand zu bleiben. Nichtsdestotrotz belesen wir uns auch über unseren „Konkurrent“ – besagte KI – und setzen uns mit diesen Trends auseinander.

Social Media hat uns alle ein bisschen zu Setdesignern gemacht, oder? Welche 3 Tipps habt ihr für uns, um das perfekte Bild zu kreieren?

  1. Genauigkeit und Zeit nehmen
  2. Keine Mühe scheuen
  3. Auch aus wenig viel machen, die Komposition macht´s.

 


Zu guter Letzt, könnt ihr uns ein paar inspirierende Designs, Filme oder andere Projekte empfehlen, die wir unbedingt im Auge behalten sollten?

Katy: Oje, wie viele können wir aufzählen? Mama Shelter Hotel Prag hat ein unfassbar inspirierendes Design von Philippe Starck. Auf jeden Fall auch Filme: brandaktuell: „Poor things“, ein Traum! Barbie, Asteroid City, Das Leben der anderen, Ewige Jugend, Frühstück bei Tiffany, Marie Antoinette. Bücher wie 1913 von Florian Illies oder Biografien aus der Bauhaus Zeit sind spannende Inspirationsgeber für Geschichten.

Holger: Kleinods entdecken wir auf dem Flohmarkt Arkonaplatz in Berlin. Wenn man jedoch generell mit wachen Augen den eigenen Dunstkreis auf Streifzügen, egal ob Stadt oder Land, erweitert, werden aus den Fundstücken kreative Pläne, Träume und irgendwann auch Realität.

- - - 

Ihr wollt mehr über das Setdesign-Dreamteam erfahren? Dann schaut unbedingt auf Instagram vorbei:
Katy Otto @katy_otto_photographer

Das erste bewusste Foto machte Katy von ihrer Schwester 1988 in der Garage im Elternhaus vor einer alten Wand. Sie verkleidete sie als Model mit einem schwarzen Oversized Mantel und kämmte ihr Haar ordentlich. Katy hatte damals eine pinkfarbene analoge Plastikkamera von Beirette SL 100N. Farbfilme waren zu teuer, also fotografierte sie in schwarz-weiß.

Die Entscheidung, Fotografin zu werden, kam später: 1996. Nach der Ausbildung folgten Assistenzen bei verschiedenen Studios in Berlin. Seit 2004 arbeitet Katy als freiberufliche Fotografin, seit 2021 auch als Setdesignerin.

Holger Senft @_durchgeliebt_

Holgers Affinität für Interieur und Styling entspringt wahrscheinlich bereits aus dem elterlichen Zuhause. Das Haus wurde damals in den 70ern von einem Architekten gestaltet. Seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann war gleich zu Beginn in einem Modeunternehmen.

Mit seinem damaligen Freund hatte er das perfekte Match, um ab 2006 ein eigenes Unternehmen in Berlin aufzubauen. Damals wechselte das Sortiment von Reitsportbedarf über Wohnaccessoires bis hin zu Möbelaufbereitung. Lebensmittelpunkt ist mittlerweile wieder seine Heimat Köln. Seit 2021 arbeitet Holger auch als Stylist deutschlandweit. 

Fotos: Copyright by Katy Otto

Weiterlesen

Trödel und Vintage: Unsere Top 5 Berliner Flohmärkte